Eine immer wieder auftauchende Konstellation beim Streit um die Höhe des Architektenhonorars ist, dass Architekt und Bauherr vor Ausführung der Architektenleistungen ein Honorar vereinbaren, das die Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) deutlich unterschreitet. Die HOAI ist jedoch zwingendes Preisrecht. Sie soll einen ruinösen Preiswettbewerb unter Architekten und Ingenieuren verhindern. Deshalb sieht § 7 Abs. 3 HOAI vor, dass die in der HOAI festgesetzten Mindestsätze nur in Ausnahmefällen und nur durch schriftliche Vereinbarung unterschritten werden dürfen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist eine die Mindestsätze der HOAI unterschreitende Preisvereinbarung unwirksam. Stattdessen kann der Architekt seine Leistungen nach den Mindestsätzen abrechnen.
Dies kann bei einem Bauherrn, der die HOAI möglicherweise nicht einmal kennt, zu bösen Überraschungen führen. So in folgendem Fall, den das Oberlandesgericht Düsseldorf zu entscheiden hatte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.11.2010, Az. I-23 U 215/09):
Die Parteien des Rechtsstreits hatten – unwirksam nach § 7 Abs. 3 HOAI – ein Pauschalhonorar für bestimmte Architektenleistungen in Höhe von € 40.000,00 vereinbart. Nach Leistungserbringung berief sich der Architekt auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung und beanspruchte nach den Mindestsätzen der HOAI ein Honorar von über € 300.000,00, also rund das 7,5fache des vereinbarten Honorars. Das OLG Düsseldorf hat aufgrund der besonderen Umstände des Falles entschieden, der Architekt sei nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) an die die Mindestsätze der HOAI unterschreitende Pauschalvereinbarung gebunden.
Für die Annahme eines solchen Ausnahmefalls ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) erforderlich, dass der Bauherr auf die Wirksamkeit der Preisvereinbarung vertraut hat, darauf vertrauen durfte und „er sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrags zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann“. Diese Voraussetzungen sind in einer gerichtlichen Auseinandersetzung grundsätzlich vom Bauherrn darzulegen und zu beweisen. Insbesondere bei nur mündlichen Abreden ist dies für den Bauherrn jedoch alles andere als einfach. So kann der vermeintliche Vorteil, einen besonders günstigen Preis mit dem Architekten ausgehandelt zu haben, im Nachhinein zu einer erheblichen Lücke in der Projektkalkulation des Bauherrn führen.
Dieser Beitrag wurde verfasst von Rechtsanwalt Marc Wernstedt.