Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist auf Antrag trotz noch bestehender Ehe aufzuheben. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss v. 20.03.2019 – XII ZB 544/18) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Beschluss v. 03.07.2019 – 5 UF 209/18) auch dann, wenn ein Ehescheidungsverfahren anhängt und im Scheidungsverbund ein Zugewinnausgleichsanspruch geltend gemacht wurde. Voraussetzung für eine vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft ist, dass
- die Ehegatten seit mindestens drei Jahren getrennt leben oder
- illoyale Vermögensverfügungen zu befürchten sind und hierdurch eine erhebliche Gefährdung der Erfüllung der Zugewinnausgleichsforderung zu befürchten ist oder
- ein Ehegatte längere Zeit hindurch seinen sich aus der Ehe ergebenden wirtschaftlichen Verpflichtungen schuldhaft nicht nachgekommen ist oder
- ein Ehegatte sich grundlos beharrlich weigert, Auskünfte über den Bestand seines Vermögens zu erteilen.
Dies ergibt sich aus §§ 1386, 1385 BGB.
Der zugewinnausgleichsberechtigte Ehegatte hat ein Interesse daran, dass der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft möglichst frühzeitig endet. Denn Berechnungszeitpunkt für den Zugewinnausgleich ist im Falle der Ehescheidung der Tag, an dem der das Ehescheidungsverfahren in Gang setzende Scheidungsantrag zugestellt wurde, § 1384 BGB. Die Zugewinnausgleichsforderung entsteht aber erst mit der Beendigung des Güterstandes und ist von diesem Zeitpunkt an vererblich, übertragbar und vor allen Dingen verzinslich, § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Wenn nun – wie in dem vom Oberlandesgericht Karlsruhe entschiedenen Fall – der ausgleichspflichtige Ehegatte den Abschluss des Ehescheidungsverfahrens und damit die Scheidungsrechtskraft beharrlich und zielgerichtet verzögert, sollte stets nach dreijähriger Trennung ein Antrag auf Aufhebung des gesetzlichen Güterstandes gestellt werden. Denn dann entsteht die Zugewinnausgleichsforderung nicht erst mit Scheidungsrechtskraft, sondern mit Aufhebung des gesetzlichen Güterstandes durch richterlichen Gestaltungsakt. Hierdurch setzt eine frühere Verzinsung der Zugewinnausgleichsforderung ein. Da die Zugewinnausgleichs- forderung mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen ist, kann dies bei hohen Zugewinnausgleichsforderungen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein. Zudem kann hierdurch gegenüber dem zugewinnausgleichspflichtigen Ehegatten eine Drucksituation aufgebaut werden.
Der Verfahrenswert eines Antrags auf vorzeitige Aufhebung des gesetzlichen Güterstandes bemisst sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 29.11.1972 – IV ZR 107/72) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Beschluss v. 18.08.2014 – 5 WF 105/14 und Beschluss v. 03.07.2019 – 5 WF 228/18) auf 1/4 des bei Verfahrenseinleitung erwarteten Zugewinnausgleichs.
In einem der entschiedenen Fälle machte die Ehefrau im Scheidungsverbund einen Zugewinnausgleich in Höhe von EUR 2.400.000,00 geltend. Der ausgleichspflichtige Ehemann verzögert den Abschluss des Ehescheidungsverfahrens. Nach Ablauf einer mindestens dreijährigen Trennungszeit wurde der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft aufgehoben. Obwohl das Ehescheidungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, werden ab diesem Zeitpunkt Zinsen geschuldet. Die Zinsen in Höhe von monatlich EUR 10.000,00 werden also nicht erst ab Scheidungsrechtskraft, sondern bereits ab Aufhebung der Zugewinngemeinschaft geschuldet. Wird die Ehescheidung erst ein Jahr später rechtskräftig, erhält die Ehefrau nicht nur einen Zugewinnausgleich von EUR 2.400.000,00, sondern für die Zeit ab Aufhebung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft bis zur Scheidungsrechtskraft noch Zinsen von EUR 10.000,00 x 12 = EUR 120.000,00! Hieran kann man sehen, welch erhebliche Bedeutung die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft bei hohen Zugewinnausgleichsforderungen haben kann.
Dieser Beitrag wurde verfasst von Rechtsanwalt Günter Nann.