Der Bundesgerichtshof hatte sich in seiner Entscheidung vom 04.04.19 – III ZR 35/18– mit der Frage zu befassen, ob einem Schüler wegen behauptet unzureichender Erste-Hilfe-Maßnahmen durch das Lehrpersonal des beklagten Landes anlässlich eines im Sportunterricht erlittenen Zusammenbruchs Amtshaftungsansprüche zustehen können.
Der Bundesgerichtshof hat das vorangegangene Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands ein Schadensersatzanspruch des Klägers, der im Sportunterricht einen hypoxischen Hirnschaden nach Kammerflimmern erlitt, nicht auszuschließen ist und es insoweit weiterer richterlicher Feststellungen bedarf.
Der Bundesgerichtshof ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass sich bei pflichtwidrig unterlassenen Erste-Hilfe-Maßnahmen von Sportlehrern oder Trainern bei einem Unglücksfall während des Sportunterrichts sich die Haftung nicht auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beschränkt, da das Haftungsprivileg für Nothelfer (§ 680 BGB) nicht eingreift. Die Regelung des § 680 BGB will denjenigen schützen, der sich bei einem Unglücksfall zu spontaner Hilfe entschließt, obwohl wegen der in Gefahrensituationen geforderten schnellen Entscheidung ein ruhiges und überlegtes Abwägen kaum möglich ist und es sehr leicht zu Fehlern bei den Erste-Hilfe-Maßnahmen kommen kann. Die Situation einer Sportlehrkraft, die im Unterricht bzw. im Training bei einem Notfall tätig wird, ist mit einer solchen spontanen Hilfeleistung einer unbeteiligten Person nicht vergleichbar. Den Sportlehrern des beklagten Landes oblag vielmehr die Amtspflicht, etwa erforderliche und zumutbare Rettungsmaßnahmen rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise durchzuführen.
Bei grober Fahrlässigkeit kommt jedoch eine Umkehr der Beweislast nicht in Betracht. Anders als beispielsweise bei einem groben Arztfehler oder bei grober Verletzung von spezifisch dem Schutz von Leben und Gesundheit dienenden Berufs- oder Organisationspflichten handelt es sich bei der Amtspflicht des Sportlehrers zur ersten Hilfe nicht um eine Haupt-, sondern nur um eine Nebenpflicht der Lehrkräfte.
Dieser Beitrag wurde verfasst von Rechtsanwältin Birgit Schunter.