Nach deutschem Erbrecht wird gemäß § 1931 BGB der Ehegatte des Erblassers zu einem bestimmten Bruchteil gesetzlicher Erbe, wenn der Erblasser nichts anderes letztwillig verfügt hat. Die Höhe des Erbteils richtet sich danach, welche Verwandten des Erblassers neben dem Ehegatten zum Zeitpunkt des Erbfalls zu berücksichtigen sind. Neben Abkömmlingen des Erblassers erbt der Ehegatte gemäß § 1931 Abs. 1 BGB beispielsweise zu ¼.
Haben die Ehegatten außerdem nach deutschem Familienrecht im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, bestimmt § 1371 Abs. 1 BGB, dass der Ausgleich des Zugewinns dadurch verwirklicht wird, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft erhöht. In obigem Beispiel erbt der Ehegatte somit gesetzlich zu ½ (¼ + ¼).
Wie aber ist zu verfahren, wenn der Erblasser (z.B. aufgrund internationaler Abkommen wie dem deutsch-türkischen Nachlassabkommen, dem deutsch-persischen Niederlassungsabkommen oder dem deutsch-sowjetischen Konsularvertrag) nach ausländischem Erbrecht beerbt wird, die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe sich hingegen gemäß Art. 15 EGBGB nach deutschem Recht richten? Schließt das anzuwendende ausländische Erbrecht § 1371 Abs. 1 BGB aus, weil es sich bei dieser Vorschrift um eine (zumindest auch) erbrechtliche Regelung handelt?
Diese seit Jahren unter den Obergerichten und in der Literatur sehr umstrittene Frage der kollisionsrechtlichen Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB hat der BGH (Beschl. v. 13.5.2015 – Az. IV ZB 30/14) dahin entscheiden, dass die Vorschrift rein güterrechtlich zu qualifizieren sei. Zweck der Vorschrift sei es, den Güterstand als Sonderordnung des Vermögens der Eheleute während und aufgrund ihrer Ehe abzuwickeln, nicht aber den Längstlebenden kraft seiner nahen Verbundenheit mit dem Verstorbenen an dessen Vermögen zu beteiligen. Die Probleme bei der konkreten Berechnung des Zugewinnausgleichs insbesondere im Erbfall sollten durch die Pauschalierung des § 1371 Abs. 1 BGB vermieden werden. Diese rechtstechnische Gestaltung des Gesetzgebers habe § 1371 Abs. 1 BGB jedoch nicht zu einer erbrechtlichen Norm gemacht. Sie sei deshalb neben ausländischem Erbrecht anzuwenden.
Nur im Einzelfall komme eine Korrektur der kumulativen Anwendung ausländischen Erbrechts und deutschen Güterrechts „im Wege der Anpassung“ in Betracht, so etwa wenn der dem länger lebenden Ehegatten nach ausländischem Erbrecht zukommende Erbteil bereits einen güterrechtlichen Ausgleich mitbewirken soll.
Dieser Beitrag wurde verfasst von Rechtsanwalt Marc Wernstedt.